CINDARELLA VS
REALITY
12.
Jänner. Ein Superlike. Brandon heißt er, sieht sehr gut aus, offensichtlich
nicht von hier. Ich swipe mich durch sein Instagram und finde ein Foto „Best
Actor-Nominee“. Ein Schauspieler also, interessant. Später werde ich noch
erfahren wie gut der liebe Brandon wirklich spielen kann.
Na
dann nehm ich es eben an, das Superlike und warte gespannt was passiert.
Irgendwann entschließe ich mich doch als Erste zu schreiben, weil ich mir in
diesem Moment nicht vorstellen kann, warum ein anscheinend berühmter Mensch mir
ein Superlike gibt. Und genau das ist dann auch meine erste Nachricht an ihn,
das Spiel beginnt. Er antwortet sehr kurz, zeigt aber Interesse. Er dreht
nichtweit von hier, ich war nur einen Sprung da und bin schon am Heimweg,
irgendwann kommt keine Antwort mehr. Diese Situation wird nochmal vorkommen,
mit keinem schönen Ende.
Wie
berühmt ist er denn, der Gute? Google hilft und siehe da, ein Power Ranger! Und
auch wenn ich mich im Nachhinein ein wenig dafür schäme, der Gedanke mit einem
Power Ranger zu schlafen ... damn it, ich wollte es unbedingt. Ich schrieb ihm,
er fragte nach meinem Snapchat Namen, er bekam ihn und ich, ich bekam ein
DickPic... Das wäre dann der Moment, wo eine halbwegs intelligente Frau das
Gespräch beendet. Aber ich war so fixiert darauf erzählen zu können, ich hätte
einen Promi gevögelt, dass ich mitgemacht hab. Ich kann mich nicht mehr genau
erinnern was er von mir zurückbekam, aber es war mit Sicherheit etwas
Anzügliches.
15.
März, Nachmittag. Ich fahre in seine Stadt zu einem Konzert und melde mich bei
ihm. Ab 23Uhr wäre ich Verfügbar. Er gibt mir seine Adresse, ich fahre hin. Als
ich die 51 drücke um anzuläuten steht eine kleine, dicke Frau vor mir und
deutet, ich soll die Tür öffnen. Ich gehe zum Lift, will die 5 drücken, sie
meint in gebrochenem Englisch man müsse die 4 drücken und dann die Stiegen
hochgehen. Wird wohl hier Wohnen die Dame. Beim Aussteigen überholt sie mich
und läuft die Stufen hoch, ich gehe vorsichtig nach und stehe plötzlich in
einer wunderschönen Dachgeschosswohnung. Mit einem nackten Brandon. Wobei das
so nicht ganz stimmt, denn er trägt Socken, Sneaker und ein LA Cap. Die kleine,
dicke Frau neben ihm und zählt Geld. Die Dealerin also. Und sie wirkt garnicht
überrascht, dass er nackt ist. Das wäre ein erneuter Moment, wo eine halbwegs
intelligente Frau sich umdreht und geht. Ich grinse, weil solche Situationen
absolut meinem Humor entsprechen. Diese Entscheidung werde ich bereuen.
Die
Dealerin sieht mich an. Ich frage ob Brandon ihrer Meinung nach gefährlich ist.
Sie fragt mich ob ich gebucht bin. Über „bösemädchen.hu“. Der dritte Moment, wo
eine halbwegs intelligente Frau das Weite sucht. Ich trage Nike Sneaker, eine
schwarze Strumpfhose, ein knielanges, enges Kleid, eine legere schwarze Weste
drüber, meinen weiß/schwarzen Schal und einen langen, schwarzen Mantel. Ich
frag mich seither noch immer, welche Nutte denn so zur Arbeit gehen würde...
Wir
reden, er bietet mir eine Line an, ich nehme sie. Warum er denn nackt ist will
ich wissen. Er ist nicht nackt, er trägt doch Schuhe, sagt er grinsend und
bringt mir ein Bier. Heute Abend ist seine Wrap-Party, er wird in 20 Minuten
gehen, aber ich kann gerne in der Wohnung bleiben. Ob ich mitkommen will fragt
er nicht. Aber dafür ich, ob ich mit darf. Wäre nur für die Crew, da kann er
nicht mit mir aufkreuzen. Die nächste Line, das nächste Bier. Er geht nicht, er
fragt. Immer mehr. Mein ganzes Leben will er wissen. Ich frage mich nicht
warum, ich erzähle. Es dürfte mittlerweile nach Mitternacht sein und ich würde
gerne zur Sache kommen. Ob ich denn seine Dusche benutzen darf, schließlich bin
ich ziemlich abgeschwitzt. Er bringt mir Handtuch und Seife. Die oldschool
Seife, irgendwie ein sehr süßer Moment. Ich dreh das Wasser auf, bewusst kalt.
Er sieht mir zu, kommt aber nicht näher.
Die
nächste Line für ihn, ich bitte um eine Cola. Wie hübsch ich bin, so ganz ohne
Make up und Klamotten und so interessant. Er will weiter reden. Dass er zu
seiner Party gehen wollte, scheint ihn nicht weiter zu interessieren. Wir
reden. Ich weiß garnicht mehr über was, weil es so viel ist. Er kommt näher,
nimmt mich in den Arm. Sein Herz rast. Er wird nervös, ich wäre der Grund. Ich
bin anders als seine Dates bisher. Er fühlt sich mir nahe. Ich starte einen
Sexversuch, er wehrt ihn ab und riecht an meinem Haar, küsst mich auf die
Stirn. Die nächste Line.
Jasper
soll unser Junge heißen. Und in Grenada wird geheiratet. Im Smoking und
schwarzen Lackschuhen, wie sonst. Ob meine Familie und Freunden denn so weit
fliegen würden – natürlich würden sie! Und ob es denn Rassisten unter ihnen
gibt – nein gibt es nicht. Ich soll in meinen Kalender schauen welche
Aprilwoche mir passt. Denn er fliegt am Montag wieder nach Hause. Die Serie, für
die er gedreht hat ist abgedreht. LA wird mir gefallen, eine Woche oder am
besten zwei, er bezahlt das Ticket. Im Mai kommt dann er zu mir nach Hause. Und
im Juni feiere ich meinen Geburtstag dann bei ihm in LA.
Wenn
er im September wiederkommt, sofern seine Serie weitergeht, bekomme ich den
Posten als Set Fotografin. Die Dachgeschosswohnung hat zwei Schlafzimmer, die
Miete zahlt die Produktion, wir könnten so auch hier immer zusammensein. Aber
auch in LA wird er mir ein paar Leute vorstellen und mir zu helfen. Ich bin wie
gemacht für Amerika, hier werde ich doch nur verkümmern. Wir machen das schon.
Wie man erfolgreich wird? Man muss härter arbeiten als alle anderen, mit Talent
alleine kommt man nicht weit. Mit Stone Sour auf Tour gehen, das wäre mein Traum.
Das wollen viele, sagt er und küsst mich.
6 Uhr
früh, ich muss dringend schlafen. Ob er denn nicht mit mir ins Schlafzimmer
mitkommen will. Er will. Wir liegen eng aneinander und ich fühle mich wie der
glücklichste Mensch der Welt. Cindarella Story. Er nennt mich Princess und
sagt, er gibt mir alles was ich will. Hollywood lässt grüßen. Wir haben Sex,
unglaublich tollen, intensiven Sex. Ich kann garnicht aufhören ihn anzugreifen
und zu küssen. Er lächelt zufrieden lässt mich nicht los. Ich habe meinen
Traummann gefunden. Das Leben ist schön. Mit dem Schlafen will es nicht
klappen. Es folgt die nächste Unterhaltung.
Er
steht auf, geht zu einem Tisch und öffnet die Lade. Ein Bündel Geld. Landeswährung.
Ob mich das eine Weile über Wasser hält will er wissen. Und in dem Moment
verstehe ich nicht ganz was da passiert. Er hätte im Auto gelebt und weiß wie
es sich anfühlt wenn man nicht weiter weiß. Jeder braucht ab und an Hilfe und
da er nach Hause fliegt, braucht er keine Landeswährung mehr. 1300Euro. Einfach
so. Ich soll es ja nicht liegen lassen, er braucht es nicht. Mir fließen die
Tränen über das Gesicht. Das alles ist zu schön um wahr zu sein.
Wann
ich denn los muss fragt er und lächelt mich mit einer Liebe an, dass ich ihm
vollkommen verfalle. Um halb 11 spätestens. Aber ich komme am Abend wieder,
wenn er will. Oder am Tag darauf. Er will. Wir liegen noch ein wenig da und
genießen. Er will es mit mir versuchen. Das klappt schon, wir sind
Seelenverwandte, das darf man nicht einfach gehen lassen, sagt er. Ich soll die
Chats mit den Männern, die ich am Handy habe, bitte löschen. Ich mache es. Ob
ich denn aushalten kann, nicht mit anderen Männern zu schlafen wenn wir uns nur
so selten sehen. Ich werde sauer. Natürlich halte ich das aus! Aber ich dürfte,
wenn ich wollte. Ich will nicht.
9:30
Uhr, jetzt muss ich wirklich ein paar Minuten schlafen. Ich liege auf seinem
Schoß, seine Hand auf meinem Hintern. Ich schlafe ein. 30 Minuten später läutet
der Wecker. Ob ich denn schon wirklich gehen müsse. Ja ich muss. Habe zuhause
wichtiges zu tun. Aber ich komme Abends wieder. Lieber morgen, sagt er. Ich
soll mich ausschlafen. Wie nett von ihm. Ich soll eine Line nehmen,
damit ich beim Fahren konzentriert bin. Ich lehne ab. Jede Stunde muss ich mich
melden, bis ich zuhause bin. Denn er sorgt sich um mich. Nie war ich
glücklicher. Er macht mir noch schnell einen Kaffee, sicher ist sicher. Ob ich
denn nicht mit dem Zug fahren könnte und dann einfach morgen mit dem Auto
heimfahre. Nein das geht nicht. Bei uns fahren doch keine Züge. Wir umarmen
uns. Er küsst mich. Ob er es denn wirklich ernst meint mit mir. Ja natürlich,
wieso denn auch nicht? Ob nicht nur Alkohol und Kokain aus ihm spricht. Nein,
tut es nicht, versprochen. Falls doch, soll er es mir sagen. Er lächelt. See
you later, princess.
17.
März, 8Uhr. Hey, so I thought long and hard about it and I really don´t want to
so long distance. Ich rufe an, ich will das nicht per WhatsApp klären. Er hebt
nicht ab. Also doch nur die Drogen, das tut weh. I meant what I said. But I
know for me long distance is just something I don´t want to do at my age. Just
want to be hoest with myself, and you. Ob wir denn nicht wie erwachsene darüber
reden könnten. Keine Reaktion. Ob wir uns wenigstens angemessen verabschieden
könnten. Keine Reaktion.
Mir
geht es nicht gut. Ich beginne zu weinen. Ich hatte ihm jedes Wort geglaubt.
Das schreibe ich ihm dann auch und dass ich sein Geld nicht haben will und es
ihm zurückgeben werde. I´m sorry. It sucks I know. I think you are so great but
I can´t do it. Ob er mir denn die Tür öffnet, wenn ich heute davor stehe. Keine
Reaktion. Ob er denn einen Beweis braucht, dass ich mich wirklich damit
auseinandergesetzt habe. Dann buch ich mir einen Flug und komme mit. That´s
impossible. Wieso denn? It´s just a bad circumstance. I still want you in my
life. I really do care about you. Ich frage erneut, ob er mir die Tür öffnen
wird. I won´t be home for most of the day. Er soll kein Arschloch sein, das
habe ich wirklich nicht verdient.
Wut,
Entschlossenheit, Panik. Eine Mischung die gefährlich ist. Ich sitze im Auto
auf dem Weg zu ihm. Er wird mir schon öffnen, er ist doch kein Unmensch. Wir
sind erwachsen. Wir werden das klären. Und wir werden uns angemessen
verabschieden. Alles gut. Aber ein wenig sauer bin ich schon, dass es mich
anlügt nicht zuhause zu sein. Wir hatten den Tag doch gemeinsam verplant.
Ich
läute bei der 51. Keine Reaktion. Mir wird schlecht. Ein Herr kommt aus der
Tür, ich stoppe die Tür und gehe ins Stiegenhaus. Im Lift wird mir noch
schlechter. Macht er denn jetzt wirklich nicht auf? Der letzte Stock ist mit
einer Gittertür verschlossen, ich komme nicht weiter und läute. Brandons
Nachbar kommt raus und öffnet mir ein wenig misstrauisch. Ich klopfe an seiner
Wohnungstür. Keine Reaktion. Ich rufe an. Keine Reaktion. Offensichtlich ist er
aber wirklich nicht zuhause. Ich mache ein Foto und schick es ihm. Damit er
weiß, dass ich hier bin. Ich fahre mit dem Lift runter und langsam dämmert mir,
dass ich ein Idiot bin.
Auf
der Parkbank gegenüber der Eingangstür sitzend denke ich über jedes seiner
Worte nach. Kann man denn wirklich so gut lügen? Einem so viel vorspielen? Ich
checke meine Nachrichten. Zwei blaue Haken. Er weiß, dass ich hier bin. Nur
interessiert es ihn nicht. Schauspieler! Natürlich kann er mir das blaue vom
Himmel runterlügen, das ist doch sein Job. Ich schicke ihm eine letzte
Nachricht, eine Sprachnachricht: I got it, I´m leaving. Congrats, you are
really a fuckin good actor. Have a safe flight, good bye. Zwei blaue Haken.
Keine Reaktion.